Gesetzliche Erbfolge - wer erbt, wenn kein Testament vorhanden ist?

Hat der Verstorbene (Erblasser) kein Testament hinterlassen und zu Lebzeiten auch keinen Erbvertrag abgeschlossen, gilt die sog. gesetzliche Erbfolge.

Erbrecht der Verwandten

Nach der gesetzlichen Erbfolge erben in erster Linie die Verwandten des Erblassers. Die gesetzliche Erbfolge unterscheidet zunächst zwischen verschiedenen Ordnungen:

  1. Ordnung: Abkömmlinge des Erblassers, z.B. Kinder, Enkel und Urenkel
  2. Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Nachkommen, z.B. Geschwister und Neffen/Nichten
  3. Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Nachkommen, z.B. Onkel/Tanten und Vettern/Basen
  4. Ordnung: Urgroßeltern des Erblassers und deren Nachkommen, z.B. Großonkel/Großtanten
  5. und fernere: Entferntere Voreltern des Erblassers und deren Nachkommen


Stiefkinder haben keine gesetzlichen Erbansprüche, da sie nicht blutsverwandt mit dem Erblasser sind. Im Gegensatz dazu werden Adoptivkinder wie leibliche Kinder behandelt und haben daher Erbrechte. Ein lebender Verwandter höherer Ordnung zum Zeitpunkt des Erbfalls schließt Verwandte niederer Ordnung aus. Das bedeutet, wenn beispielsweise ein Kind, Enkel oder Urenkel den Erblasser überlebt, werden alle anderen Verwandten der 2. oder einer höheren Ordnung wie Eltern, Geschwister oder Großeltern von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen (sog. Repräsentationsprinzip). Erst wenn niemand aus der ersten Ordnung den Erblasser überlebt hat, erben die Verwandten der zweiten Ordnung. Innerhalb einer Ordnung schließen die lebenden Verwandten des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls ihre eigenen Nachkommen von der gesetzlichen Erbfolge aus.

Beispiel

Frau Klug hinterlässt ihren Sohn und dessen Tochter (=Enkelkind der Erblasserin). Es erbt nur der Sohn der Frau Klug.
Im Hinblick auf die Verteilung unter den Abkömmlingen gilt, dass nach Stämmen geerbt wird. Jeder Stamm erbt zu gleichen Teilen.

Beispiel

Frau Inga Klug hinterlässt 2 Kinder. Norbert Klug und Hannelore Schön, geborene Klug. Hannelore Schön hat 2 Kinder (=Enkel der Frau Klug). Es erben nur Norbert Klug und Hannelore Schön. Die Kinder Schön erben nichts.
Ist in dem Beispiel Hannelore Schön bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls verstorben, dann treten an ihre Stelle ihre Kinder (=Enkel der Frau Klug). Nach dem Stammesprinzip erben sie nicht etwa zu je 1/3, sondern jeweils nur ¼.
Ab der 4. Ordnung gilt das sog. Gradualsystem. Ein Grad ist eine vermittelnde Geburt. Die grandmäßig am nächsten Verwandte Person erbt allein bzw. mit gradgleichen gemeinsam zu gleichen Teilen.

Erbrecht des Ehegatten

Der Ehegatte hat neben den Verwandten ein gesetzliches Erbrecht, dessen Umfang von dem Güterstand abhängt, in dem die Ehegatten lebten, sowie von der Ordnung, zu der die überlebenden Verwandten des Erblassers gehören (§ 1931 Absatz 1 BGB). Wenn neben Erben der ersten Ordnung auch Verwandte der zweiten Ordnung oder Großeltern vorhanden sind, erbt der überlebende Ehegatte ¼ des Erbes; neben Verwandten der zweiten Ordnung oder Großeltern beträgt der Erbanteil des Ehegatten ½. Treffen in der dritten Ordnung neben Großeltern auch Abkömmlinge von Großeltern zusammen, erhält der Ehegatte zusätzlich den Anteil, der den Abkömmlingen zufallen würde. Zusätzlich zu diesen Anteilen kommt im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft ein weiteres ¼ als "pauschalisierter Zugewinnausgleich" hinzu (Bitte beachten Sie: Bei einem anderen Güterstand gelten andere Regelungen, die hier nicht dargestellt werden können). Wenn weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden sind, erbt der überlebende Ehegatte allein.

Beispiel

Frau Inga Klug hinterlässt 2 Kinder ( Norbert Klug und Hannelore Schön, geborene Klug) und ihren Ehemann, Hans Klug. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.Die Ehefrau F erhält ein ¼ und nochmals ¼ als „pauschalisierten Zugewinnausgleich". Die Kinder erhalten jeweils ¼
Sind keine Erben 1. Ordnung, sondern nur 2. Ordnung vorhanden (Eltern, Geschwister, Neffen/Nichten), kommt es des öfteren zu ungewollten Ergebnissen. Der überlebende Ehegatte erbt nicht allein, sondern nur neben den Erben 2. Ordnung!

Beispiel

Frau Inga Klug hinterlässt ihren Ehemann, Hans Klug. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Außerdem leben noch Ihre Schwester Gertrud Wichtig. Herr Hans Klug erhält ½. Hierzu erhält er nochmals ¼ als „pauschalisierten Zugewinnausgleich". Frau Gertrud Wichtig erhält ¼ !

Gesetzliche Erbfolge bei Beteiligung anderer Nationalitäten oder Vermögen im Ausland

Diese Ausführungen gelten wohl gemerkt nur für rein deutsche Sachverhalte (deutsche Staatsangehörige + Nachlass in Deutschland belegen + deutscher Wohnsitz). Bei Erbfällen mit Auslandsbezug kann hingegen auch ausländischen Erbrecht eingreifen. In manchen Fällen (z.B. Südafrika) kommt es u.U. sogar zu einer "Nachlassspaltung", d.h. ein Teil des Vermögens wird nach deutschem und ein Teil nach ausländischem Recht vererbt. In solchen Fällen entstehen oft schwierige Konstellationen, die eine testamentarische Regelung erfordern.

Fazit

Um Überraschungen zu vermeiden sollte immer ein Testament errichtet werden. Bei größeren Vermögen (Erbschaftsteuer!) oder internationalen Sachverhalten sollte hierzu ein Rechtsanwalt mit Spezialkenntnissen im (internationalen) Erbrecht und Erschaftsteuerrecht konsultiert werden.

Quelle: www.wf-kanzlei.de